Projektmethode 2.0

Die Projektmethode ist eine Möglichkeit, kollektive Aneignungsprozesse bei Lernenden anzuregen. Individuelle Stärken der einzelnen Beteiligten können in einem gemeinsamen Entwicklungsprozess für die Projektumsetzung nutzbar gemacht werden und erhöhen die Wahrscheinlichkeit des Auftretens intrinsischer Motiviation. Der, durch die Akteure, selbstgesteuerte Prozess wird fokussiert und mitgesteuert durch das angestrebte Produkt und durch die Eigenschaften der zur Erstellung des Produktes notwendigen Materialien und Umweltbedingungen. In der heutigen Zeit bietet es sich an, bei der Planung und Umsetzung von Projekten, webgestützte Werkzeuge nutzbar zu machen, die die kollektiven Kommunikations- und Produktionsprozesse orts- und zeitunabhängig unterstützen und für alle Beteiligten transparent machen. Um derartige Prozesse auszulösen, gilt es gemeinsam ein Produkt zu definieren, das für die Zielgruppe, den anvisierten Themenkomplex oder für die Umgebung, in der die Akteure agieren, eine Bedeutung hat. In der Unterrichtspraxis unterscheidet Herbert Gudjons fünf Produkttypen, die wir (Neuhaus, Nordmeier & Kirstein, 2009) in einem Artikel zum Learners´Garden Projekt um einen weiteren – die Entwicklungsprodukte – ergänzt haben :

    1. Aktions- und Kooperationsprodukte
    (z.B. Podiumsdiskussionen, gezielte Aktionen)
    2. Vorführungs- und Veranstaltungsprodukte
    (z.B. Theateraufführungen, Filmvorführungen)
    3. Dokumentationsprodukte
    (z.B. Broschüren, Gutachten, Bücher, Webseiten, Multimediaproduktionen)
    4. Ausstellungsprodukte
    (z.B. Stellwände, Plakate, Wanderausstellungen)
    5. Gestaltungsprodukte
    (z.B. Begrünung, Campusgestaltung, Raum- und Gebäudegestaltung)
    6. Entwicklungsprodukte
    (Kooperationsprodukte, die weit über einzelne Lehrveranstaltungen hinaus gehen und durch Beteiligte über mehrere Semester hinweg ggf. auch in Institutionsgrenzen überschreitenden Lernzusammenhängen betreut, überarbeitet und aktualisiert werden)
    (In Ergänzung zu Gudjons: Neuhaus et al. 2009, S. 6)


Abbildung: Lisa Vanowitch

Die Bedeutung der Produktorientierung und der damit zusammenhängenden kollektiven Prozessdynamik, haben wir in unserer Arbeitsgruppe in einem Artikel für die Zeitschrift »Praxis der Naturwissenschaften« zusammengefasst:

„Mit der gemeinsamen Festlegung konkreter Produkte, seien es physische Objekte, Aktionen, Projekte oder Text-, Bild- und Multimedia-Produktionen, die vielfältige, individuell herausfordernde Anlässe zur Konstruktion von Wissen bieten, lassen sich in unterschiedlichsten Themengebieten bei Schülerinnen und Schülern (selbstorganisierte) Lernprozesse auslösen. Nach Gudjons hat das an der Produkterstellung gewonnene Wissen eine besondere Qualität: Es ist individuell konstruiert, besonders gedächtniswirksam, in vielfältige Bezüge einer Sache vernetzt und handlungsrelevant (Gudjons 2008, S. 88). Aktuelle Erkenntnisse der Pädagogischen Psychologie unterstützen diese Erkenntnisse, die auch die Grundlage vieler reformpädagogischer Ansätze bilden (s. z.B. Dewey 1916). Das handlungstheoretische Motivationsmodell von Rheinberg besagt, dass es in einer konkreten Situation zu einer Intentionsbildung für eine Handlung kommt, wenn der Lernende eine positive »Kosten-Nutzen-Bilanz« zieht (Krapp & Weidenmann 2006, S. 222). Durch die Möglichkeit der Schülerinnen und Schüler zur Mitbestimmung und Auswahl bestimmter Produkte in einem Themenzusammenhang erhöht sich daher die Wahrscheinlichkeit, dass jede/r Einzelne von ihnen im Zuge einer Handlungsepisode motivationsbezogen diese positive Bilanz zieht und sich aktiv an einer Produktion und damit am Unterrichtsgeschehen beteiligt“ (Neuhaus & Nordmeier 2009, S. 23).

Im Folgenden finden sich einige Beispiele und Links zu weiterführenden Darstellungen der Projektmethode, sowie zu frei zugänglichen Online-Werkzeugen, die bei der Planung und Umsetzung von Projekten hilfreich sein können.

Projektbeispiel: Empirische Untersuchungen im Wald


Abbildungen: Andreas Stockey

Unter welchen Bedingungen gedeihen bestimmte Arten im Wald? Unter dieser Fragestellung hat Andreas Stockey am Oberstufenkolleg der Universität Bielefeld mit seinen Schülerinnen und Schülern ein Projekt durchgeführt, das online recht gut dokumentiert wurde: Projekt-Homepage

Projektbeispiele: Location Based Learning


Abbildung: Education in the Wild

In diesem Blogbeitrag werden Projekte der University of Nottingham (UK), dem Futurelab und dem Cachewiki von Roland Dieterich vorgestellt. Das gemeinsame dieser Projekte ist es, dass mobile Endgeräte zur Umsetzung der Vorhaben eingesetzt werden: Blogartikel zum Location Based Learning

Texte, Materialien und Kontakte rund um die Projektmethode


(1) Projektunterricht, Projektstudium, Projektmanagement, Didaktik der Sozialwissenschaften, sowi-online
 


(2) Projektlernen im digitalen Zeitalter, Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung Hamburg
 


(3) Projektarbeit, Methodenpool, Uni Köln, Kersten Reich
 


(4) Projektpraxis, Verein für Projektdidaktik e.V. (VfPd), Bielefeld
 


Digitale Werkzeuge für die Projektarbeit

1. Der Werkzeug-Pool im Learners´ Garden

Zur Planung und Umsetzung von Projekten gibt es heutzutage zahlreiche – oft auch kostenlose – webbasierte Werkzeuge, die nützlich sind zum gemeinsamen Strukturieren, Kommunizieren, Präsentieren und Verteilen von Informationen. Im Online-Portal »Learners´Garden« werden solche Tools verfügbar gemacht. Auch wenn die Plattform – wegen mangelnder Finanzierung – im Augenblick nur auf Sparflamme aufrecht erhalten wird, lassen sich dort zahlreiche nützliche Online-Tools und erfahrene Lernende finden, die diese Tools bereits nutzen. Zur Homepage: »Learners´Garden«.


Abbildung: Learners´Garden

 
2. Das Adhoc-Lab im Learners´ Garden

Im Rahmen des Learners´ Garden-Projektes entstand auch das »Adhoc-Lab«, ein Online-Mashup von kostenlos einsetzbaren Tools, das hier in einer Sandbox-Version im Rahmen der LehrerInnen-Ausbildung an der Freien Universität Berlin eingesetzt wurde. Bereitgestellt werden hier unter anderem Anwendungen wie ein kollektiv nutzbarer Texteditor (Etherpad), ein Diagramm-Editor, Tools zum finden von Fotos unter Creative Commons Lizenz und zum bearbeiten von Fotos, ein Blog und ein Wiki. Einige dieser Systeme erfordern eine Onlineregistrierung bei den jeweiligen Anbietern, die aber kostenlos ist. Bei Interesse können wir interessierten Projekten ein identisches Mashup bereitstellen: Zur Homepage: »Adhoc-Lab«.


Abbildung: Learners´Garden

3. Eigene Tools in Betrieb nehmen

Für jede Art von Online-Tools gibt es unterschiedliche Lösungen und Anbieter. Um es Einsteigern nicht zu schwer zu machen, sind im Folgenden fünf klassische Online-Anwendungen konkreter Anbieter vorausgewählt worden, die sich vielfach bewährt haben und die kostenlos nutzbar sind. Bei jedem der fünf Anbieter ist eine Online-Registrierung erforderlich. Unmittelbar nach der Registrierung sind die Tools voll einsatzbereit. Alternativen zu diesen hier aufgeführten Anbietern finden sich z.B. im Learners´Garden

  • Wiki
    Wikis sind im prinzip beschreibbare Homepages, die über eine individuelle Internetadresse verfügen (URL) und die von beliebig vielen Nutzern beschrieben und editiert werden können. Wikis eignen sich besonders dafür, Inhalte strukturiert – versehen mit hierarchischer Navigation – aufzubereiten. Sowohl Text, Bild und Video kann in der Regel integriert werden. Änderungen in einem Wiki können zwischen den Autoren seitenbezogen, online diskutiert werden. Nach der Registrierung bei einem Online-Anbieter erhält man eine URL über die jeder Projektbeteiligte oder andere Interessierte dieses Wiki mit einem Browser aufrufen können. Hier ist derzeit das PB-Works-Wiki zu empfehlen, solange es kostenlos angeboten wird:
    PBWorks: >> Homepage | >> Registrierung | >> Bedienungshinweise |

  • Blog
    Blogs sind – wie Wikis – ebenfalls beschreibbare Homepages, die sich vom Wiki vor allem dadurch unterscheiden, dass jeder Eintrag in einem Blog in chronlogischer Reihenfolge – tagebuchartig – dargestellt wird. Jeder einzelne Eintrag im Blog kann kategorisiert und verschlagwortet werden (tagging) und ist dadurch sowohl über das Internet als auch innerhalb des eigenen Blogsystems gut durchsuchbar. Leser des Blogs können einzelne Blogbeiträge öffentlich sichtbar kommentieren und diskutieren. Weltweit hat das Blogsystem WordPress hohe Akzeptanz. Auch hier gibt es einen kostenlosen Online-Service:
    WordPress: >> Homepage | >> Registrierung | >> Bedienungshinweise |

  • Kollektiver Texteditor
    Zum Verfassen von Texten, gemeinsam mit mehreren Autoren – auch zeitgleich – eignen sich Texteditoren, die über eine URL aufrufbar sind. Besonders beliebt ist der Online-Editor »Etherpad« , die Programmierer dieses Tools wurden von Google abgeworben. Der Editor selbst wurde daraufhin als Open-Source-Lösung der Online-Community zur Verfügung gestellt. Zahlreiche Anbieter bieten diesen Editor online zur Nutzung an. Gute Erfahrungen gibt es unter anderem mit dem Anbieter Titanpad:
    TitanPad: >> Homepage | >> Registrierung | >> Bedienungshinweise |

  • Mikroblog
    Mikroblogs sind webbasierte Systeme, die eine schnelle Kommunikation in einem selbstdefinierten offenen Netzwerk ermöglichen. Ein Eintrag in einem solchen Mikroblog hat üblicherweise nicht mehr als 140 Zeichen. Dafür lassen sich die Einträge mit jeglicher Art im Web gelagerter Dokumente verlinken und durch sogenannte Hashtags (Beispiel: #mikroblogging) verschlagworten, so dass – je nach Nutzerverhalten – effiziente fachspezifische Kommunikationen und Informationsverbreitungen möglich sind. Der am weitesten verbreitete Mikroblog-Dienst ist Twitter:
    Twitter: >> Homepage | >> Registrierung | >> Bedienungshinweise |

  • Webbasierte Dateiablage
    Zur Ablage und Verteilung von digitalen Dokumenten eignen sich webbasierte Dateiablagen oder sogenannte »Cloud-Services«. Hier werden im Web Festplattenbereiche angeboten, auf denen die relevanten Dokumente für ein Projekt über ein Web-Interface – sortiert und verschlagwortet – abgelegt werden können. Auch Zugriffsbeschränkungen auf die Dokumente lassen sich individuell konfigurieren. Zu empfehlen ist bei derartigen Services derzeit Dropbox:
    Dropbox: >> Homepage | >> Registrierung | >> Bedienungshinweise |

  • Weiterführende Literatur zur Projektmethode

    • Boaler, J. (1998). Open and Closed Mathematics: Student Experiences and Understandings. Journal for Research in Mathematics Education, (Vol. 29 No. 1), 41-62.
    • Dewey, J. (1916). Democracy and Education. The Macmillan Company. Retrieved July 5, 2012, from http://www.ilt.columbia.edu/publications/dewey.html
    • Dewey, J. (1993). Demokratie und Erziehung (Jürgen Oelkers, Ed.). Weinheim und Basel: Beltz.
    • Dietz, M., Döring, T., Emer, W., Sagasser, H., Schöbel, R., Schumacher, C., et al. (2010). Unter die Lupe genommen: Die Umsetzung von Projektunterricht und Projektkultur an sechs Schulen in NRW. Eine vergleichende qualitative Untersuchung zur gymnasialen Oberstufe. TRIOS, (2/2010).
    • Duncker, L., & Götz, B. (1984). Projektunterricht als Beitrag zur inneren Schulreform. Langenau-Ulm: Armin Vaas Verlag.
    • Emer, W., & Rengstorf, F. (2010). Bedeutung einer Projektkultur an Schulen und ihre Merkmale. TRIOS, (2/2010).
    • Emer, W., Rengstorf, F., & Schumacher, C. (2010). Der Projektunterricht in der Bildungsdiskussion. TRIOS, (2/2010).
    • Frey, K. (1993). Die Projektmethode. Weinheim und Basel: Beltz.
    • Gudjons, H. (2008). Handlungsorientiert lehren und lernen – Schüleraktivierung – Selbsttätigkeit – Projektarbeit. Bad Heilbrunn: Klinkhardt.
    • Hongler, H., & Willener, A. (1996). Die Projektmethode in der soziokulturellen Animation. Luzern: Fachverlag HFS Zentralschweiz.
    • Kerres, M., & de Witt, C. (2004). Pragmatismus als theoretische Grundlage für die Konzeption von eLearning. In H. O. Mayer, & D. Treichel (Eds.), Handlungsorientiertes Lernen und eLearning. München Wien: Oldenbourg Verlag.
    • Krapp, A., & Weidenmann, B. (Eds.). (2006). Pädagogische Psychologie. Weinheim Basel: Beltz PVU.
    • Neuhaus, W. (2007). Web 2.0 und der Kampf der Begriffe. Berlin: Blog Mediendidaktik. Retrieved July 5, 2012, from http://mediendidaktik.port07.de/docs/neuhaus_2007_04.pdf » Download PDF
    • Neuhaus, W., & Nordmeier, V. (2009). Produktorientiertes Lernen mit webgestützten Werkzeugen. Praxis der Naturwissenschaften, (7).
    • Neuhaus, W., Nordmeier, V., & Kirstein, J. (2009). Learners´Garden – Aufbau eines Community getriebenen Werkzeug- und Methodenpools für Lehrende und Studierende zur Unterstützung produktorientierter Formen des Lehrens und Lernens. In N. Apostolopoulos, V. H.: M. Hoffmann, & A. Schwill (Eds.), E-Learning 2009 – Lernen im digitalen Zeitalter. Münster/New York/München/Berlin: Waxmann. » Download PDF
    • Neuhaus, W. (2012). Didaktisches Design und die Transformation von Wissen im digitalen Zeitalter. Berlin: Blog Mediendidaktik. Retrieved July 14, 2012, from https://mediendidaktik.org/docs/didaktisches-design-neuhaus.pdf
      » Download PDF
    • Rasfeld, M., & Spiegel, P. (2012). EduAction – Wir machen Schule. Hamburg: Murmann.
    • Rengstorf, F., & Schumacher, C. (2010). Projektarbeit und Projektunterricht in der schulischen Wirklichkeit – ein Niemandsland in der empirischen Unterrichtsforschung? TRIOS, (2/2010).
    • Wenger, E., Trayner, B., & Latt, M. de. (2011). Promoting and assessing value creation in communities and networks: a conceptual framework. Heerlen: Ruud de Moor Centrum.

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    Kommentare

    3 Antworten zu „Projektmethode 2.0“

    1. Klaus Meschede

      Wow, toll gemacht! Danke!

    2. großartig! hier habe ich für „Praxis Schule“ zeitgleich auch einen artikel dazu geschrieben, in dem es darum ging, das pragmatisch herunterzubrechen: http://bitly.com/MLprojektlernen

    3. wneuhaus

      Gefällt mir ;-)

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